Beobachtungsturm BT 9
Warum wurde der in Culitzsch aufgebaut? Wie kommt der denn dahin? War da eine Grenze?
Eine dieser drei Fragen haben Sie sich sicherlich auch gerade gestellt. Eine davon können wir Ihnen direkt beantworten: In Culitzsch war keine Grenze und auch keine militärische Anlage. Die anderen beiden Fragen möchten wir Ihnen gern etwas näher erläutern.
Unser Verein Historische Technik Culitzsch e.V. präsentiert Ihnen im Oldtimermuseum Culitzsch in rein ehrenamtlicher Tätigkeit unsere liebevoll restaurierte und erhaltene, vielseitige Sammlung. Die ausgestellten Fahrzeuge werden dabei informativ in Szene gesetzt. Sie haben eine interessante lebendige Geschichte und sind fahrbereit. Das erfordert neben einer ganzen Menge Enthusiasmus natürlich auch jede Menge an Ersatzteilen. Wenn diese im eigenen Lager nicht vorhanden sind, wird meistens zunächst im Internet danach gesucht. Im April 2020 fiel einem Vereinsmitglied dabei zufällig bei Ebay eine Anzeige auf. Jemand wollte einen ehemaligen Wachturm BT 9 verkaufen. Sofortkauf, zum Selbstabbau. Diese Anzeige leitete er an den Vorstand weiter – es war aber wohl als Scherz gedacht.
Aber die Euphorie war sofort geweckt. Wir haben hier an diesem Standort eine herrliche Aussicht und waren schon lange auf der Suche nach einer zündenden Idee, welches Bauwerk wir wohl errichten könnten, um diese besonders hervorzuheben. Die Idee mit dem Turm kam uns also wie gerufen. Damit hätten wir ein Objekt mit bester Aussicht und zeithistorischem Hintergrund, welches perfekt zu unserem Museum passt. Schon am nächsten Morgen nahmen wir Kontakt mit dem Verkäufer auf. Ein Sofortkauf, ohne die Gegebenheiten vor Ort in Augenschein zu nehmen, kam für uns natürlich nicht in Frage. Der Verkäufer lachte natürlich zuerst und sagte: „Der Turm steht schon über 10 Jahre bei Ebay drin. Er steht hinter einem Hügel, mitten im Wald, sehr schwer zugänglich. Es waren schon sehr viele da und haben sich das angeschaut. Das schafft ihr nicht.“ Dennoch vereinbarten wir einen Besichtigungstermin und beschlossen, das Projekt schließlich anzugehen. Wir recherchierten über die Bauweise dieser Türme und lernten einen ehemaligen Maurermeister der NVA kennen, der nach der Wende derartige Bauwerke mit demontierte. Er gab uns wichtige Hinweise, was beim Abbau zu beachten sei und welche Art Kran wir bräuchten. Mit dem IFA ADK 125 wurden diese Türme zu DDR-Zeiten aufgebaut. Da uns ein solcher Kran auch noch im Museum fehlte, schafften wir kurzum einen an.
Nach umfangreichen Vorbereitungsmaßnahmen fuhren wir im November 2020 in den Kiefernwald bei Spreenhagen, um den Turm abzubauen und nach Culitzsch zu transportieren. Wir waren drei Tage und Nächte unterwegs und es hat alles perfekt funktioniert. Nachdem wir die Teile mit einem Gesamtgewicht von ca. 50 Tonnen sicher nach Hause gebracht hatten, beantragten wir schließlich die Baugenehmigung. Bis zur Erteilung dieser hatten wir genügend Zeit, die einzelnen Teile aufzuarbeiten. Besonders die Kanzel und die Dachplatte waren stark beschädigt. Das Fundament mit jeder Menge Bewehrung mussten wir komplett neu errichten. Zum Museumsfest 2021 wurde als symbolischer Baubeginn das erste Teil gesetzt. Im Oktober 2021 begannen wir mit dem weiteren Aufbau der Betonelemente und haben, um die Mörtelfugen nicht so stark zu belasten, jeweils jedes Wochenende ein Teil aufgesetzt. Im Inneren wurden die originalen, einfachen Leitern durch etwas bequemere Treppen ersetzt. Alles andere ist original erhalten oder wurde mit originalen Materialien neu gebaut. Insgesamt hat das Projekt vom Finden der Anzeige bis zur Fertigstellung schließlich zweieinhalb Jahre gedauert.
Bewusst präsentieren wir Ihnen heute nicht nur einen Aussichtsturm, sondern vielmehr auch einen Zeitzeugen deutsch-deutscher Geschichte, der durch seinen zeithistorischen Hintergrund als Wachturm der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR an all die damit verbundenen Geschehnisse erinnern soll.